The Mudcat Café TM
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Posted By: M.Ted
06-Aug-08 - 02:51 PM
Thread Name: Lyr Add: The Ballad of Francois Villon
Subject: RE: Lyr Add: The Ballad of Francois Villon
As with all translated verse, it helps to have the original.

Ballade auf den Dichter François Villon

Mein großer Bruder Franz Villon
wohnt bei mir mit auf Zimmer.
Wenn Leute bei mir schnüffeln gehn,
versteckt Villon sich immer.
Dann drückt er sich im in' Kleiderschrank mit einer Flasche Wein
und wartet, bis die Luft rein ist.
Die Luft ist nie ganz rein.
Er stinkt, der Dichter. Blumensüß
muß er gerochen haben,
bevor sie ihn vor Jahr und Tag
wie'n Hund begraben haben.
Wenn mal ein guter Freund da ist,
vielleicht drei schöne Fraun,
dann steigt er aus dem Kleiderschrank
und trinkt bis Morgengraun.

Und singt vielleicht auch mal ein Lied,
Balladen und Geschichten -
Vergißt er seinen Text, soufflier
ich ihm aus Brechts Gedichten.

Mein großer Bruder Franz Villon
war oftmals in den Fängen
der Kirche und der Polizei.
Die wollten aufhängen.
Und er erzählt, er lacht und weint -
Die Dicke Margot dann
bringt jedesmal zum Fluchen
den alten alten Mann.

Ich wüßte gern, was die ihm tat,
doch will ich nicht frauf drängen.
Ist auch schon lange her.
Er hat mit seinen Bittgesängen,
mit seinen Bittgesängen hat
Villon sich oft verdrückt
aus Schuldturm und aus Kerkerhaft.
Das ist ihm gut geglückt.

Mit seinen Bittgesängen zog
er sich oft aus der Schlinge.
Er wollt nichtm daß sein Hinterteil
ihm schwer am Halse hing.

Die Eitelkeit der höchsten Herrn
konnt meilenweit er riechen.
Verewigt hat er manchen Arsch,
in den er mußte kriechen.
Doch scheißfroh war François Villon,
mein großer Zimmergast,
hat er nur freie Luft und roten
Wein geschluckt, gepraßt.

Dann sang er unverschämt und schön,
wie Vogel frei im Wald,
beim Lieben und beim Klauengehn.
Nun sitzt er da und lallt.
Der Wodkaschnaps aus Adlershof,
der drückt ihm aufs Gehirn.
Mühselig liest er das 'ND'
(das Deutsch tut ihn verwirrn).

Zwar hat man ihn als Kind gelehrt
das hohe Schul-Latein,
als Mann jedoch ließ er sich mehr
mit niederm Volke ein

Besucht mich abends mal Marie,
dann geht Villon solang
spazieren auf der Mauer und
macht dort die Posten bang.
Die Kugeln gehen durch ihn durch,
doch aus den Löchern fließt
bei Franz Villon nicht Blut heraus.
Nur Rotwein sich ergießt.

Dann spielt er auf dem Stacheldraht
aus Jux die große Harfe.
Die Grenzer schießen Rhythmus zu,
verschieden nach Bedarfe.

Erst wenn Marie mich gegen früh
fast ausgetrunken hat,
und steht Marie ganz leise auf
zur Arbeit in der Stadt,
dann kommt Villon und hustet wild
drei Pfund Patronenblei.
Und flucht und spuckt und ist doch voll
Verständnis für uns zwei

Natürlich kam die Sache raus.
Es läßt sich nichts verbergen.
In unserem Land ist Ordnung groß
wie bei den sieben Zwergen.
Er schlug gegen meine Tür
am Morgen früh um drei
drei Herren aus dem großen Heer
der Volkspolizei.
"Herr Biermann", sagten sie zu mir -
"Sie sind uns wohl bekannt
als treuer Sohn der DDR.
Es ruft das Vaterland.
Gestehen sie uns ohne Scheu:
Wohnt nicht seinem Jahr
bei ihnen ein gewisser
Franz Fillonk mit rotem Haar?
Ein hetzer, der uns Nacht für Nacht
in provokanter Weise
die Grenzsoldaten bange macht?"
Ich antworte leise:

"Jawohl, er hat mich fast verhext
mit seinen frechen Liedern.
Doch sage ich Ihnen im Vertraun:
Der Schuft tut mich anwidern!
Hätt ich in diesen tagen nicht
Kurellas Schrift gelesen
von Kafka und der Fledermaus,
ich wär verlorn gewesen.

Er sitzt im Schrank, der Hund.
Ein Glück, daß sie ihn endlich hohn.
Ich lief mir seine Frechheit längst
ab von den Kindersohln.
Ich bin ein frommer Kirchensohn.
Ein Lämmerschwänzchen bin ich.
Ein stiller Bürger, Blumen nur
in Liedern sanft besing ich."

Die Herren von der Polizei
erbrachen dann den Schrank.
Sie fanden nur Erbrochens
das mählich niedersank.