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Vor vollen Schüsseln
Corvus Corax

Vor vollen Schüsseln muss ich Hungers sterben,
am heißen Ofen frier ich mich zu Tod,
wohin ich greife, fallen nichts als Scherben,
bis zu den Zähnen geht mir schon der Kot.
Und wenn ich lache, habe ich geweint,
und wenn ich weine, bin ich froh,
dass mir zuweilen auch einmal die Sonne scheint,
als könnte ich im Leben ebenso
zerknirscht wie in der Kirche niederknien…
ich, überall verehrt und angespien,
ich, überall verehrt und angespien.

Nichts ist's mir sichrer als das nie Gewisse,
nichts sonnenklarer als die schwarze Nacht.
Nur das ist mein, was ich betrübt vermisse,
und was ich liebte, hab ich umgebracht.
Erst wenn ich denke, dass ich gestern war,
bin ich erst heute zugereist.
Auf meinem Schädel ist das letzte Haar
zu einem blanken Silbermond vereist.
Ich habe kein Feigenblatt, es anzuziehn…
ich, überall verehrt und angespien,
ich, überall verehrt und angespien.

Ich habe dennoch soviel Mut zu hoffen,
dass mir sehr bald die ganze Welt zuhört,
und stehn mir wirklich alle Türen offen,
schlag ich sie wieder zu, weil es mich stört,
dass ich aus goldnen Schüsseln fressen soll.
Toll sind die Würmer nach meinem Bauch,
ich bin mit Unglück bis zum Halse voll
und bleib auch unter dem Holunderstrauch,
auf den noch nie ein Stern hernieder schien,
ich, überall verehrt und angespien,
ich, überall verehrt und angespien.

The original, slightly different, verses with the title "Die Ballade von den Vogelfreien" are in François Villon, Paul Zech: Die Balladen und lasterhaften Lieder des Herrn François Villon in deutscher Nachdichtung, Weimar 1931, p.72.